Die neuen Leuchttürme
des Wissens

Neue Architektur, neue Programmatiken: Bibliotheken als Symbole des Wissens für die modernen Städte.

Fotos:
Jens Kirchner
Marcel van der Burg
Tom Brunberg
Tuomas Uushimo
Erik Thallaug
Nicolas Weldingh
Jay H.
Tuna Ekici
Vadim Morozov
Victor Baro
Joao Marcelo
Nolan Monaghan

„Öffentliche
Bibliotheken
müssen ihre
Rolle neu
definieren.“

Tim Schumann,
Mitbegründer„Netzwerk Grüne Bibliotheken“ auf goethe.de

Die Bibliotheken haben sich von ihrer ursprünglichen Aufgabe als reine Aufbewahrungsorte für Bücher und andere Medien längst emanzipiert und sind in vielen Städten bereits neue zentrale Orte mit breiter Programmatik und hoher Aufenthaltsqualität geworden.

Daraus ergibt sich die Frage, was Bibliotheken heute erfüllen müssen und welche Angebote sie machen können, um weiterhin demokratische Bildungsangebote zu offerieren. Dabei kann die Entwicklungstendenz der Bibliothek entweder derjenigen der Stadt folgen oder aber über diese hinausreichen und ein Zukunftsszenario vorwegnehmen.

Die Bibliothek als Lernort

Die digitale Abrufbarkeit von Wissen führt keineswegs dazu, dass die Bibliothek als Lernraum überflüssig wird, im Gegenteil, die konzentrierte Umgebung und die Anwesenheit anderer Lernender mit demselben Ziel locken weiterhin an die Tische und Arbeitsplätze von Bibliotheken. Die Umgebung übernimmt hier die Funktion als Motivator. Eine gute Netzanbindung muss trotzdem vorhanden sein, die meisten Besucherinnen und Besucher bringen heutzutage ihre Computerarbeitsplätze selbst mit. Die Atmosphäre bedingt Ruhe und Konzentration.

Die Bibliothek als sozialer Nukleus

Die Beispiele zeigen, dass Bibliotheken ein wichtiger Standortfaktor in kommunalen Gefügen sein können. Attraktive, nicht Tim Schumann, Mitbegründer „Netzwerk Grüne Bibliotheken“ auf goethe.de „ Öffentliche Bibliotheken müssen ihre Rolle neu definieren.“ kommerzielle Aufenthaltsmöglichkeiten und Rahmeninstitutionen können wichtige Frequenzbringer für Innenstädte sein. Durch niedrigschwellige erweiterte Freizeitangebote und interkulturelle Arbeit wird die Nutzerschaft in Zukunft wesentlich heterogener werden. Im öffentlichen Raum der Innenstädte haben die Bibliotheken auch als kostenloser, geschützter, wetterunabhängiger, barrierefreier Aufenthaltsort immer noch ein Alleinstellungsmerkmal.

Wie kann dies gelingen?
Das Forum in Groningen.

Im November 2019 eröffnet, beinhaltet das Groninger Forum als 17.000 qm großer Neubau im Zentrum der niederländischen Innenstadt auf 5 von 11 Etagen die neue Bibliothek. Des Weiteren sind in dem Gebäude ein Kino, ein Restaurant, ein Auditorium, ein Comic-Museum, ein Café sowie ein Media- und Smartlab vereint. Auf der spektakulären Dachterrasse trifft sich die Stadtgesellschaft zum Feierabendpilschen. 

Ein multifunktionaler Kulturbau, ein urbanes monolithisches Bergmassiv, dessen einzelne Ebenen durch kreuz und quer verlaufende Rolltreppen verbunden sind, wodurch sich auch innerhalb viele öffentliche Plätze ergeben. Der Entwurf der NL Architects arbeitet gegen den Verlust öffentlichen Raumes und versucht, kulturelle Einrichtungen mit dem Alltagsleben zu verweben und damit niedrigschwellige Kulturangebote zu bieten. Und was bietet die Bibliothek? Auf zwei Etagen befindet sich das „Wonderland“, eine interaktive Erlebniswelt für Kinder und eine gemütliche Chill-out-Zone für Jugendliche, im Medialab können eigene Trickfilme gedreht und im Smartlab neueste Technologien ausprobiert werden.

In der historisch geprägten Innenstadt Groningen ragt der sich nach oben verjüngende Monolith rund 45 Meter in die Höhe. Die Fassade aus Naturstein in verschiedenen Plattenformaten fügt sich gelungen, aber in ihrer Aussage deutlich, in das Stadtbild ein.
Die Rolltreppen verbinden ein Netz aus Bibliotheks- und öffentlichen Freiräumen, wodurch neue Berührungsorte und Schnittstellen entstehen.
Deichman Bjørvika – die neue Plattform

Die neue Hauptfiliale der öffentlichen Bibliothek in Oslo, 2020 fertiggestellt, umfasst neben der Büchersammlung auch ein Kino, Lounges, ein Auditorium, ein Restaurant, einen Gamingbereich und Werkstätten. Das Gebäude ist von allen Seiten kostenfrei begehbar und schafft mit seinen diagonalen Lichtschächten fließende Übergänge zwischen innen und außen. Das Gebäude erreicht durch die dreischichtige Isolierverglasung und thermisch aktivierte Bauteile Passivhausstandard.
Im Sommer erfolgt die Klimatisierung mit dem kalten Wasser des Oslofjords. 

Konzeptionell und architektonisch passt das Gebäude laut Architekt Lund Hagem exakt an diese Stelle, gegenüber der berühmten Oper und dem Munch-Museum, eingebettet in das nordische Licht und die Spiegelungen des Fjordes. Diese drei Gebäude setzen den Maßstab für das Stadterneuerungsprojekt „Fjord City“.

Die Worte im Treppenbereich drücken aus, für wen Oodi gedacht ist:

kaikille – alle
henkilöille – Menschen 
lukijoille – Lesende 
auringonpalvojille – Sonnenanbeter
keksijöille – Erfinder
kapinallisille – Rebellen 

„Die Bedürfnisse
haben sich
geändert.“

Knut Skansen,
Chef der Deichman Bibliothek
in Oslo

Oodi – Hightech-Lesezimmer in Helsinki

„Oodi“ – das finnische Wort für Ode. Eine Ode an die Wörter, eine Ode an die Bücher. 2018 inmitten des Stadtzentrums neu erbaut, die Bibliothek gedacht als Verlängerung des öffentlichen Raumes. Kostenfreie Nutzungsmöglichkeiten für jeden auf drei Etagen: Computer, Gaming, Kino, Nähmaschinen, Co-Working, Konferenzen, Lesesaal, Tonstudio. Die 3. Etage beherbergt einen lichtdurchfluteten Bücherhimmel mit 100.000 Medien, dazwischen acht lebendige Bäume und Spielmöglichkeiten.

Lichtschächte und Dachverglasung sorgen für eine Durchdringung von innen und außen mit dem nordischen Licht des Oslofjordes.

Bibliotheken über den
Tellerrand hinaus 

Ein Ort
mit Strahlkraft.